“Was machst du heute?”

“Rücken!”

“Sauber! Auf geht’s!”

Ein motivierendes Highfive und die beiden Schränke mit Babyface stolzieren auf die Trainingsfläche – die Rasierklingen unter den Achseln natürlich immer dabei.

Ich schaue mich vorsichtig um, aber außer mir scheint niemand ähnlich irritiert zu sein. Ich greife mir ein kleines Handtuch und eine Flasche Wasser und bewege mich zum Aufwärmen in Richtung der Laufbänder. Alle vier sind besetzt. Vier Frauen im Alter von 19 bis 59 gehen spazieren. Die Älteste von ihnen scheint es heute richtig wissen zu wollen. Sie hat die Steigung auf Stufe 1 gestellt, muss sich dafür aber auch an den Haltegriffen festhalten.

Mein Blick gleitet unmotiviert in Richtung der Ergometer. Fahrradfahren auf der Stelle. Eines ist noch frei. Neben mir werden die ‘Gala’ und die ‘Bild der Frau’ gelesen. Ich höre noch die beiden Schränke sagen, dass sie “auf keinen Fall Ausdauer machen” wollen, “davon nimmt man ab”. Ich überlegte kurz, ob ich den beiden mal das Trainingsprogramm der vier Spaziergängerinnen empfehlen soll. Davon nimmt man bestimmt nicht ab. Ich lasse es sein.

Nach dem Aufwärmen will ich mit Situps anfangen. Von den drei Bänken, die im Freihantelbereich stehen, braucht einer der Babyface-Schränke zwei für seine Dips, die dritte ist durch ein Handtuch bedeckt, dessen Besitzer gerade am anderen Ende des Raumes an der Brustpresse sitzt. Ich freue mich über sein vorausschauendes Handeln, so gehe ich wenigstens nicht fälschlicherweise davon aus, dass diese Bank frei ist.

Ich kann ja auch mit einer anderen Übung anfangen, denke ich mir, und greife zu den Kurzhanteln. “Spitzenidee” denkt sich wohl auch das Babyface, das gerade noch mit seinen Dips hörbar zu kämpfen hatte. Als er sieht, dass ich mir Zehn-Kilo-Hanteln nehme, nimmt er sich 20. Als er sieht, dass ich sehe, dass er 20 nimmt, nimmt er 30. Anschließend bemüht er jeden Muskel in seinem Körper, um die Hantel hochzuhieven, der Bizeps war nach meinen Beobachtungen nicht dabei.

Gelassen trotte ich zum Bankdrücken. Ich bin froh, dass der letzte, der hier saß, seine sechs Platten an jeder Seite nicht wieder abgenommen hat, so muss ich die Scheiben nicht erst suchen. Nach fünfminütigem Abräumen kann ich anfangen und werde gefragt, ob ich schon fertig sei. Immerhin hat dieser clevere Bursche das Abräumen der Scheiben mit dem Beenden der Übung verknüpft. Aber ich muss noch. Prüfend werde ich von dem Fuchs beobachtet. Bei der zwölften Wiederholung im dritten Satz feuert er mich an: “Komm, weiter!” Ich lege die Hantel demonstrativ ab, obwohl ich 15 hätte machen müssen. Das Spielfeld gehört dir, Superstar.

Plötzlich donnert’s mir auf den Rücken und schallt “NA ALTER, AUCH WIEDER DA?!” Ich habe keine Ahnung, wer da vor mir steht, aber seine spitzfindige Begrüßung lässt mich schließen, dass ich daran heute nichts ändern werde. Der glattrasierte Solariumabonnent stiefelt ohne eine Antwort abzuwarten weiter zur Beinpresse und gibt dem Rentner, der daran trainiert, die Hand. Dessen Gesichtsausdruck muss wohl derselbe sein, den ich draufhatte, als ich mir meine Begrüßung abholte. Den Selbstbräuner stört es wieder nicht, er quatscht schon den Nächsten an. Der Fünfte begrüßt ihn mit “Moin Patrick!”

Als ich am Latzug sitze, um den Rücken zu trainieren, komme ich nicht umhin, ein Gespräch von Otto und einem offenbar nicht sehr nahen Bekannten mitzuhören, denn Otto kannte seinen Namen ganz anscheinend auch nicht. Otto ist arbeitslos aber daran ist die Gesellschaft Schuld und nicht er, der von seinen 32 Jobs 29 hingeschmissen hat. Aber dafür hat Otto jetzt mehr Zeit fürs Training und prompt eine neue Trainingsmethode entwickelt. Er kommt jetzt zweimal am Tag – morgens Pumpen und nachmittags Radfahren. “Das bringt’s echt total!” Passend dazu hat Otto ein ausgeklügeltes Ernährungsprogramm entwickelt, das er nur empfehlen kann. Wenn ich mir seine Körperform so anschaue, muss er wohl einen dieser Zauberspiegel vom Jahrmarkt zuhause haben.

Vom Latzug aus bekomme ich mit, wie der Brownie vor dem Beintraining die Kapuze seines Pullovers überstreift und festzurrt. Er drückt die geschätzten 500 Kilo in die Luft und sieht dabei aus wie Kenny in South Park. Bewunderer hat er in den beiden Babyfaces gefunden: “Guck dir Patrick an! Der lässt sich immer wieder was Neues einfallen, der Junge. Find’ ich geil!” Und dann nur noch lautes Stöhnen. Er ist so in Fahrt, dass ich mir eine Karriere als Porno-Synchronsprecher für ihn vorstellen könnte. Als ich 25 Trainierenden aus der Seele spreche und ihn höflich aber bestimmt darum bitte, sich nicht wie in einem Affenkäfig aufzuführen, hört er mich nicht. Hätt’ ich mir denken können, seine ekelhafte Techno-Musik dröhnt ja bis hier.

An der Hantelbank feuern sich derweil Babyface 1 und 2 lautstark an, eine Stimmung wie im Hexenkessel. In einem Anflug von unüberlegter Höflichkeit frage ich den Anpeitscher, der dabei zufällig neben der Beinpresse steht, ob er da noch ran will. “Nee Mann, scheiß’ auf Beine! Die sieht im Club eh keiner.” Stimmt, sorry, mein Fehler.

Mittlerweile ist Patrick mit dem Stöhnen fertig und hat wohl irgendwie das mit den Beinen mitbekommen. Da kommt er natürlich nicht umhin, den beiden Kids sein heutiges Trainingsprogramm zu erläutern. Und das dreht sich einzig und allein um die Beine. Ganz plötzlich sind die beiden anderer Meinung. Morgen wollen sie dasselbe Programm durchziehen.

Patricks Angebot, mir zu zeigen, wie man vernünftig Arme trainiert, schlage ich anschließend dankend aus und schlendere am Tresen vorbei in Richtung Umkleide. Ich werfe Kerstin, der Servicekraft, einen mitleidigen Blick zu. Sie muss sich gerade von Otto in epischer Breite seine neuen Erkenntnisse in der Trainingslehre erläutern lassen. Neben ihm sitzt Henning, der sich zeitgleich mit mir umgezogen hatte. Er plaudert mit der zweiten Dame und hat heute noch nicht ein Gerät geschafft.

In der Umkleide bin ich froh, nur noch von einer Handvoll Testosteron umgeben zu sein. Ein Kerl im Bademantel fragt mich ungeduldig, ob ich Feuer hätte. Mein fragender Blick scheint ihm Antwort genug zu sein. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich ihm die Funktionsweise einer herkömmlichen Sauna erklären sollte, aber dann fällt mir der Außenbereich ein. Wäre ja schön blöd, wenn man die Gelegenheit nicht zum Rauchen nutzen würde.

Mit Zuschlagen meines Spints hab ich’s endlich hinter mir. Neben mir feuern sich zwei Bodybuilder an und ein 17-Jähriger doziert zum Thema Trainingslehre. Das kann ich mir auch übermorgen noch anhören.