Well I’ve got open eyes
and an open door.
But I don’t know what I’m searching for.

Es ist zu schön hier, um den negativen Dingen in meinem Leben Beachtung zu schenken. Ich schließe die Augen, atme das Meer ein und spüre das feuchte Gras unter meinen nackten Füßen. Nie hätte ich erwartet, einem Ort, an dem es mehr Kühe als Menschen zu geben scheint, so zu verfallen. Nie hätte ich gedacht, dass ich allein sein muss, um mehr über mich selbst zu erfahren. Nur Klippen, Regenwolken, das Meer und ich. Und die Kühe. Hier könnte ich bleiben.

Ich weiß nicht, ob du zu diesen negativen Dingen gehörst. Bislang hätte ich das immer verneint, hätte die kleinen Schmetterlinge stets als positiv bezeichnet. Aber das, was sie am Ende mit mir machen werden, ist es nicht. Die Ungewissheit, die Zerrissenheit – ob du nun da bist oder nicht -, diese Aspekte sind negativ. Du weißt das, das sehe ich, du bist nur genauso überfordert mit dieser Erkenntnis wie ich. Du willst bei mir sein und musst dich doch ständig wieder rar machen. Sagst, ich gehe dir unter die Haut, und weißt trotzdem nicht, was du willst. Du machst uns beide wahnsinnig. Und genau wie ich kannst du nicht anders. Irgendwann muss ich aber. Um deinet- und um meinetwillen.

Leichter Nieselregen setzt ein und ich ziehe die Wollsocken und Stiefel wieder an. Vereinzelt kommen ein paar Wanderer vorbei aber meist schleiche ich vollkommen allein an den steilen Abhängen entlang. Möwen stürzen sich in die Wellen hinab und die Kühe starren mir mit leeren Blicken hinterher. Ich widerstehe fast minütlich dem Drang, auf mein Handy zu schauen. Ich habe dich auf stumm gestellt und den gesamten Verlauf aus der whatsapp-Chatlist gelöscht, um nicht ständig dein Profilbild zu sehen. Viel hilft es nicht, aber es ist ein Anfang. Der Schauer hält nur kurz an. In weiter Ferne erkenne ich ein Castle und ich gehe weiter und weiter. Irgendwas an diesem Ort öffnet mir die Augen, wühlt mich auf! Wo ich dachte, so schnell wühlt mich nichts mehr auf.

Well it’s hard to find a reason, when all you have is doubts.
Hard to see inside yourself, when can’t see your way out.
Hard to find an answer, when the question won’t come out.

Seit Jahren schwirren wir umeinander herum und geben vor, es nicht zu tun. Sind mal täglich präsent und tauchen mal wochenlang ab. Lassen ständig unausgesprochen, was wir wirklich fühlen, um es nach zwei Flaschen Weißwein plötzlich doch alles offenzulegen. Es ist unerklärlich, wieso gleichzeitig alles gesagt und dennoch vollkommen unklar ist. Doch mit der Zeit beginne ich langsam, es zu verstehen. So cool und unabhängig wir immer tun, so hilflos sind wir am Ende auch. Irgendwie sind wir doch kaputt, du und ich. Wir sind es beide. Und das verträgt sich nicht. Es macht nur noch mehr kaputt, entfacht irgendwann einen Flächenbrand und lässt nichts als Schmerz zurück. Und ich will das nicht.

Bis zum Boarding wusste ich nicht wirklich, warum ich in dieses Flugzeug gestiegen bin. Nur, dass ich es tun musste. Vielleicht fliehe ich vor dir, vor der Welt, vor mir selbst. Oder zu mir selbst. Hierher in die schottische Einöde, wo mir gar nichts anderes übrig bleibt, als es mit mir selbst auszuhalten. Ich laufe und laufe und laufe. Bis mein Kopf vollkommen leer ist. Und es mir gut geht.

Everyone’s filling me up with noise,
I don’t know what they’re talking about.

Mit jedem Schritt fühle ich mich befreiter, von den Fesseln des Alltags und denen deiner Vereinnahmung. Du willst das nicht, das weiß ich. Sagst du zumindest. Und doch übst du diesen Sog aus, dem ich mich jeden Tag aufs Neue wie automatisch widersetze. Ich könnte dir nichts auf der Welt vorwerfen und doch bist du für all dieses Chaos verantwortlich. Sage ich zumindest.

Als mir eine mittelalte Frau wie selbstverständlich auf Deutsch hinterherruft, warum ich es so eilig hätte, merke ich erst, wie schnell mein Gang mittlerweile geworden ist. Anscheinend habe ich es tatsächlich eilig. Ich bin mir aus unerklärlichen Gründen absolut sicher, auf irgendetwas zuzusteuern. Ohne zu wissen, was genau es ist, will ich immer weiter. Und schneller weiter. Die eben noch winzig kleine Burg ist schon ein ganzes Stück näher gekommen. Ein Kilometer wird es vielleicht noch sein.

Wir tun uns gegenseitig nicht gut, so viel habe ich langsam begriffen. Es geht schon zu lange so. Eigentlich weiß ich sehr genau, was ich will, doch bei dir werde ich es nicht finden. Wir passen so wenig zueinander, dass ich fürchte, das allein übt den Reiz an uns aus. Sofern es nicht doch so etwas wie Magie gibt. Nein, was wir beide erleben, ist ein Tagtraum. Einer, aus dem wir unter keinen Umständen aufwachen wollen und für den wir mehr und mehr die Kontrolle abgeben. Ich will dich in meinem Leben, ich will dich so sehr, dass es wehtut. Aber nicht um jeden Preis. Diesen Rucksack mit dir und all dem darin, was uns ausmacht, kann ich nicht ewig mit mir herumtragen. Und erst recht kann ich nicht irgendwann jemandem abverlangen, mir beim Tragen zu helfen.

Mittlerweile ist weit und breit kein Mensch mehr zu sehen. Die Klippen machen einen großen Bogen und formen eine eindrucksvolle Bucht, in der die Wellen mit gewaltigem Getöse gegen die Felswände schlagen. Ich stehe direkt am Abgrund und der Gedanke wird immer klarer, dass es vielleicht nur diesen einen Ausweg gibt. Ich selbst habe es in der Hand. Vielleicht muss ich tatsächlich alle Verbindungen kappen und hierher ziehen. Alles zurücklassen und neu anfangen. Anders wird es kaum gehen. Der Gedanke besänftigt mich. Vielleicht werde ich hier bleiben. Hier leben. Und einfach warten, dass es besser wird.

Während der Wind immer stärker bläst, werde ich immer ruhiger. Die dunklen Wolken haben sich endgültig vor die Sonne geschoben und es beginnt zu regnen. Ich stehe einfach da. Denke an dich und diese ganzen guten Ansätze, über die ich ständig nicht hinauskomme. Ich nehme die Kapuze ab. Irgendwie habe ich ihn immer geliebt. Den Regen nach einem sonnigen Tag.

You see all I need’s a whisper in a world that only shouts.